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  • AutorenbildAnna Wegleitner

Bundespräsidenten-wahl: Was kann Österreichs Staatsoberhaupt?

Am Sonntag ist es wieder so weit: Etwas über 6,36 Millionen Österreicherinnen sind aufgerufen, einen Bundespräsidenten zu wählen – und ja, die männliche Form ist hier ganz bewusst eingesetzt, sind doch ausschließlich Männer bei der 14. Hofburg-Wahl im Rennen. Jüngere Umfragen deuten dabei trotz einer Rekordzahl von sieben Kandidaten darauf hin, dass der Amtsinhaber Alexander Van der Bellen bereits im ersten Wahlgang am 9. Oktober die Hürde von mehr als 50 Prozent der Stimmen nehmen könnte und Österreich eine „Bundespräsidentenstichwahl-wiederholungsverschiebung“ wie bei der letzten Wahl 2016 erspart bleibt. Aber unabhängig davon, ob das Ergebnis auch diesmal „arschknapp“ wird, lohnt sich die genauere Betrachtung der Frage: Was kann und darf der Bundespräsident der Republik Österreich eigentlich alles?

Die Antwort ist: theoretisch eine ganze Menge. Da der Bundespräsident der einzige Repräsentant des Staates auf Bundesebene ist, der von den Bürgerinnen direkt gewählt wird, hat er eine starke Stellung im Verfassungsgefüge und dementsprechend weitreichende Kompetenzen. Diese Kompetenzen werden allerdings in weiten Teilen dadurch eingeschränkt, dass der Bundespräsident – bis auf wenige Ausnahmen – nur auf Vorschlag der Bundesregierung (bzw. der zuständigen Ministerin) aktiv werden kann und die meisten seiner Akte durch die Bundeskanzlerin oder zuständige Ministerin gegengezeichnet werden müssen. So soll sichergestellt werden, dass der Bundespräsident im Einvernehmen mit der Bundesregierung handelt.

Kann der Bundespräsident die Regierung entlassen?

Die wohl bekannteste und auch wichtigste Aufgabe des Bundespräsidenten ist die Ernennung der Bundeskanzlerin, wobei er hier frei und an keinerlei rechtliche Vorgaben gebunden ist. Rein theoretisch (!) könnte er auch Dich zur Bundeskanzlerin ernennen – allerdings würde es dagegen wohl recht schnell ein Misstrauensvotum im Nationalrat geben und der Bundespräsident müsste erst recht jemand Neuen ernennen. Auch die restlichen Regierungsmitglieder werden vom Bundespräsidenten ernannt, allerdings auf Vorschlag der Bundeskanzlerin. Dabei kann der Bundespräsident einzelne Regierungsmitglieder auch ablehnen. Umgekehrt steht es ihm außerdem zu, ohne Begründung die Bundeskanzlerin oder die gesamte Bundesregierung zu entlassen. Diese Kompetenz kommt normalerweise immer nach einer Nationalratswahl zum Einsatz, doch der Bundespräsident ist hier ebenfalls verfassungsrechtlich völlig ungebunden.

Hat der Bundespräsident Einfluss auf die Gesetzgebung?

Der Bundespräsident ist für die Beurkundung von Bundesgesetzen zuständig, wodurch er das ordnungsgemäße Zustandekommen des Gesetzes bestätigt. Er prüft dabei also vordergründig, ob das Gesetz in dem vorgeschriebenen Verfahren zustande gekommen ist; es wird aber davon ausgegangen, dass der Bundespräsident die Beurkundung eines Gesetzes bei offenkundigen und schwerwiegenden Verfassungsverletzungen verweigern kann. Das ist bisher nur einmal unter Heinz Fischer geschehen, der die Novelle zur Gewerbeordnung im Jahr 2008 blockierte. Was der Bundespräsident aber jedenfalls nicht darf, ist die Beurkundung von Gesetzen nach persönlichem Gutdünken zu verweigern.

Welche Funktionen hat der Bundespräsident in Kriegs- und anderen Krisenfällen?

Im Notstandsfall kommt dem Bundespräsidenten ein Notverordnungsrecht zu, auf dessen Grundlage vorläufige gesetzesändernde Verordnungen erlassen werden können, wenn sich der Nationalrat nicht versammeln kann und deswegen notwendige Gesetze nicht rechtzeitig erlassen werden können, etwa im Fall von kriegerischen Handlungen oder schweren Naturkatastrophen. Dieses Notverordnungsrecht ist aber mehrfach begrenzt, um einen Missbrauch zu verhindern. Der Bundespräsident kann außerdem den Sitz des Nationalrats in Kriegs- und anderen Krisenfällen an einen Ort außerhalb Wiens verlegen.

Warum hat der Bundespräsident in der Causa Blümel eine Rolle gespielt?

Im Juni 2021 beauftragte Van der Bellen das Straflandesgericht Wien mit der Exekution einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Das B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) betraut nämlich den Bundespräsidenten in jenen Fällen mit der Exekution von Erkenntnissen des VfGH, die nicht den ordentlichen Gerichten obliegen. Durchgeführt wird diese dann durch die vom Bundespräsidenten beauftragten Organe des Bundes oder der Länder, einschließlich des Bundesheeres oder der Polizei. Hier ist der Bundespräsident direkt weisungsbefugt, kann also Anordnungen treffen, wie die Vollstreckung durchgeführt werden soll.

Kann der Bundespräsident angeklagt werden?

Während seiner Amtszeit genießt der Bundespräsident Immunität vor gerichtlicher und anderer behördlicher Verfolgung. Wenn eine Behörde seine Verfolgung beabsichtigt, hat sie ein „Auslieferungsbegehren“ an den Nationalrat zu richten und wenn dieser sich dafür ausspricht, wird die Bundesversammlung (ein Organ aus Mitgliedern des National- und Bundesrats) einberufen, die der behördlichen Verfolgung zustimmen muss. Ebenfalls durch Beschluss der Bundesversammlung kann der Bundespräsident schließlich vor dem Verfassungsgerichtshof angeklagt werden, wenn er verfassungsrechtliche Bestimmungen verletzt – die Aufgaben des Bundespräsidenten sind nämlich durchwegs durch das B-VG umschrieben.

Kann der Bundespräsident abgesetzt werden?

Ja, auch das ist möglich – allerdings nur durch eine Volksabstimmung. Auch hier kommt wieder die Bundesversammlung ins Spiel, die eine solche Volksabstimmung verlangen muss.

Mächtigster Politiker in Österreich – nur auf dem Papier?

Der Bundespräsident ist außerdem noch Oberbefehlshaber über das Bundesheer, ernennt die Mitglieder des VfGH, des Verwaltungsgerichtshofs und der Verwaltungsgerichte des Bundes, schließt Staatsverträge ab, kann Begnadigungen vornehmen und könnte auch (auf Vorschlag der Bundesregierung) den Nationalrat auflösen.

Man sieht also: Der Bundespräsident hat neben seinen repräsentativen Aufgaben wie Staatsbesuchen eine Fülle an weitreichenden Kompetenzen, mit denen er theoretisch wohl der mächtigste Politiker in Österreich ist und auch folgenschwer in das politische Tagesgeschehen eingreifen könnte.

In Österreich ist es allerdings gängige Praxis, dass der Bundespräsident seine Kompetenzen nicht oder nur sehr zurückhaltend auslebt und sich weitgehend aus dem politischen Tagesgeschäft heraushält (das wird auch häufig als „Rollenverzicht“ bezeichnet). Wie genau in der Realität mit diesen wichtigen Kompetenzen umgegangen wird, hängt aber vom Amtsverständnis des jeweiligen Amtsinhabers ab. Daher ist es wichtig, wer zum Bundespräsidenten gewählt wird – und zur Wahl zu gehen.

Kurz gesagt

  • Der Bundespräsident ist der einzige direkt vom Volk gewählte Repräsentant auf Bundesebene und hat weitreichende Kompetenzen. Diese Kompetenzen sind allerdings meist an eine Mitwirkung der Bundesregierung geknüpft und dadurch beschränkt. In Österreich ist es gängige Praxis, dass der Bundespräsident seine Kompetenzen nur sehr zurückhaltend auslebt („Rollenverzicht“).

  • Der Bundespräsident ernennt die Bundeskanzlerin und auf deren Vorschlag die restlichen Regierungsmitglieder und kann diese auch ohne Begründung entlassen. Weitere Kompetenzen des Bundespräsidenten sind die Beurkundung von Gesetzen, der Oberbefehl über das Bundesheer, das Notverordnungsrecht in Krisensituationen und die Exekution von VfGH-Entscheidungen.

  • Der Bundespräsident kann vor dem VfGH angeklagt werden, wenn er verfassungsrechtliche Bestimmungen verletzt und er kann durch eine Volksabstimmung auch abgesetzt werden.

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